Fazit: Nennt eine Bank in der Widerrufsinformation Pflichtangaben, obwohl diese beim Immobilienkreditvertrag nicht erforderlich sind (hier: Angaben zur Aufsichtsbehörde), muss sie sich an ihren eigenen Formulierungen auch festhalten lassen. Fehlt eine solche "Pflichtangabe" im Darlehensvertrag, ist der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt worden.
Bundesgerichtshof -Mitteilung der Pressestelle - Nr. 210/2016 vom 22.11.2016
Bundesgerichtshof entscheidet über die Wirksamkeit einer
Widerrufsinformation bei einem Immobiliardarlehensvertrag
Urteil vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15
Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat heute im schriftlichen Verfahren darüber entschieden,
unter welchen Voraussetzungen der Darlehensgeber einen Verbraucher als
Darlehensnehmer klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist
informiert.
Sachverhalt:
Die Kläger schlossen als Verbraucher im August 2010 mit
der beklagten Sparkasse einen Immobiliardarlehensvertrag über endfällig 273.000
€ mit einer Laufzeit bis zum 30. November 2026. Sie schrieben für zehn Jahre
eine Verzinsung in Höhe von 3,95% p.a. fest. Den effektiven Jahreszins gab die
Beklagte mit 3,78% p.a. an. Sie erteilte unter Nr. 14 des Darlehensvertrags
eine Widerrufsinformation, die unter anderem folgenden Satz (ohne Fußnote)
enthielt:
"Die Frist [gemeint: die Widerrufsfrist] beginnt
nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle
Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB* (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses,
Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der
für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat".
Als Sicherheit bestellten die Kläger eine Grundschuld.
Die Beklagte stellte den Klägern die Darlehensvaluta zur Verfügung. Mit
Schreiben vom 29. August 2013 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss des
Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Prozessverlauf:
Ihre Klage auf Feststellung, dass sie der Beklagten
"aus dem widerrufenen Darlehensvertrag" lediglich 265.737,99 €
abzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
32.778,30 € seit dem 30. September 2013 schulden, und auf Leistung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Die
dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der
Kläger hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Berufungsurteil
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende
Überlegungen leitend:
In Übereinstimmung mit dem Senatsurteil vom 23. Februar
2016 (XI ZR 101/15, WM 2016, 706 Rn. 24 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in
BGHZ, vgl. Pressemitteilung Nr. 48/2016), das dasselbe Formular des Deutschen
Sparkassenverlags betraf, hat das Berufungsgericht geurteilt, die äußere Gestaltung
der Widerrufsinformation habe den gesetzlichen Anforderungen genügt.
Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht weiter
davon ausgegangen, die Widerrufsinformation sei inhaltlich klar und
verständlich gewesen. Die Wendung, die Widerrufsfrist beginne "nach
Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle
Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat", informierte für sich
klar und verständlich über den Beginn der Widerrufsfrist. Die von der Beklagten
zur Erläuterung des Verweises auf § 492 Abs. 2 BGB in einem Klammerzusatz
angefügten Beispiele entsprachen zwar nicht den gesetzlichen Vorgaben, weil sie
mit den Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und
der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde "Pflichtangaben"
benannten, die für den Immobiliardarlehensvertrag der Kläger nicht einschlägig
waren. In der Angabe dieser beiden zusätzlichen Pflichtangaben lag indessen das
von den Klägern angenommene vertragliche Angebot der Beklagten, das Anlaufen
der Widerrufsfrist von der zusätzlichen Erteilung dieser beiden Angaben im
Immobiliardarlehensvertrag abhängig zu machen.
Das Berufungsurteil hatte gleichwohl keinen Bestand, weil
die Beklagte im Immobiliardarlehensvertrag keine Angaben zu der für sie
zuständigen Aufsichtsbehörde gemacht und damit nicht sämtliche Bedingungen
erfüllt hat, von denen sie selbst das Anlaufen der Widerrufsfrist abhängig
gemacht hat.
Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache
nunmehr der Frage nachzugehen haben, ob sich die Kläger im Zusammenhang mit der
Ausübung des Widerrufsrechts rechtmissbräuchlich verhalten haben und welche
Rechtsfolgen der Widerruf der Kläger – seine Wirksamkeit unterstellt –
hat.
* § 492 BGB Schriftform, Vertragsinhalt
…
(2) Der Vertrag muss die für den
Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis
13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.
…
Vorinstanzen:
LG Heidelberg – Urteil vom 14. Oktober 2014 – 2 O 168/14
OLG Karlsruhe – Urteil vom 25. August 2015 – 17 U 179/14
Karlsruhe, den 22. November 2016
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
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