Aus dem Alltag einer Rechtsanwältin - von Sinn, Unsinn und Wahnsinn im Dienste der Justitia -
Donnerstag, 28. September 2017
Das Geschäft mit der Einsamkeit - Folge 3
Erneut hatte ich Gelegenheit, gegen eine Partnervermittlung aus Hannover vorzugehen. Diese Partnervermittlung inseriert bundesweit in lokalen Anzeigenblättern. Die Anzeigen erwecken beim juristisch nicht vorgebildeten Leser den Eindruck, dass darin Menschen aus Fleisch und Blut für sich selbst nach einem Partner oder Partnerin zwecks Freizeitgestaltung oder mehr suchen.
Es handelt sich hierbei um das Unternehmen PV-Netzwerk GmbH, welches vormals unter dem Namen "Freundschaftsservice und Freundschaftsvermittlung GmbH" aktiv war. Den Anrufern wird suggeriert, dass die in der Annonce geschilderte Person tatsächlich existiert, ein Kontakt mit ihr aber erst nach einem persönlichen Besuch einer Mittelsperson zum Zwecke "der Eignung des Anrufers" zustande kommen kann. Die Tatsache, dass die Telefonnummer zu einer Partnervermittlung gehört, wird den Anrufern nicht offengelegt.
Kurz darauf kommt es dann zu einem häuslichen Besuch, bei dem über die angeblich existierende Person – die in der Folgezeit nie präsentiert wird – ausführlich gesprochen wird.
Dabei wird der Eindruck vermittelt, dass der Anrufer und die angeblich inserierende Person optimal zusammenpassen. Nur, falls es mit den beiden dann doch nicht klappen sollte, wird ein Vertragsformular zur Unterschrift vorgelegt, in welchem sich der Partner suchende Interessent zur Zahlung von in aller Regel hohen vierstelligen Beträgen für zwischen drei bis sechs Partnervorschlägen verpflichtet. Konkrete Vorgaben, wie die Partnervermittlung geeignete Personen für den Interessent finden soll, enthält der Vertrag nicht.
In der Folge erhält der Anrufer Partnervorschläge, die wenig bis keine Ähnlichkeit mit seinen Vorstellungen und Wünschen und dem Lockvogelangebot haben.
Das Amtsgericht Leer hat im Urteil vom 29.05.2017 die Klage meines Mandanten auf Rückforderung seiner geleisteten Zahlungen in vollem Umfang stattgegeben und ausgeführt:
Zitat:
„Nach welchen Kriterien die Partnervorschläge zu erstellen sind, lässt sich dem Vertrag hingegen nicht entnehmen. In dem vorliegenden Vertrag ist auch nicht geregelt, wie ein Partnervorschlag der Beklagten zu Stande kommt und ob / wie sich die Beklagte dabei an den Vorstellungen des Klägers zu orientieren hat. Es ist aus dem Vertrag nicht einmal ersichtlich, ob der Kläger seine konkreten Wünsche und Vorstellungen äußern darf und diese für die Vorschläge der Beklagten maßgeblich sein werden. Es ist lediglich der Aufstellung " Zusammensetzung der Gesamtvergütung“ zu entnehmen, dass die Erstellung einer "Partneranalyse“ zu vergüten ist, ohne dass Ausführungen dazu erfolgen, was darunter zu verstehen wäre und wie diese zustandekommt. Und selbst, wenn dies ohne gesonderte vertragliche Regelung durch die Parteien im Beratungsgespräch vor / bei Vertragsschluss erfolgt, in dem ein "Partnerwunschbogen" ausgefüllt wird, ist allein aus dem sehr kurz gehalten Vertragstext nicht ersichtlich, dass geäußerte Wünsche überhaupt Berücksichtigung bei der Erstellung des Partnervorschlages finden müssten. Der Kläger ist damit nicht in die Lage versetzt worden, potentielle Erfolgschancen einzuschätzen.
Auch findet sich im Vertrag keine Regelung dazu, ob der Kläger Vorschläge beanstanden oder gar ablehnen kann. Da der Vertrag keinerlei Kriterium für die Vermittlung vorsieht, ermöglicht der Vertrag der Beklagten theoretisch jegliche Partner als vertragsgerecht vorzuschlagen, selbst wenn kein Kriterium des "Partnerwunschbogens" erfüllt sein sollte. Das bedeutet, dass der Kläger der Beklagten bei der Unterbreitung von Partnervorschlägen quasi auf „Gedeih und Verderb" ausgeliefert ist und keinerlei überprüfbaren Mitwirkungsrechte hat." Zitatende
Das Gericht hat der Klage meines Mandanten wegen groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sowie wegen Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts und damit verbundener Nichtigkeit stattgegeben.
Die dagegen eingelegte Berufung der Partnervermittlung hat das Landgericht Aurich mit Beschluss vom 07.09.2017 wegen "offensichtlicher Aussichtslosigkeit" zurückgewiesen.
Das Urteil des Amtsgerichtes ist somit rechtskräftig.
Der von der Partnervermittlung erwähnte Partnerschaftswunschbogen war bezeichnenderweise von der Beklagten im Prozess nicht vorgelegt worden. Auch der Partner suchende Interessent erhält diesen "Wunschbogen" nie.
Interessant in dem Zusammenhang ist auch die Entscheidung des Landgerichts Hannover vom 27.09.2016. In diesem Verfahren wurde der PV-Netzwerk GmbH untersagt, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit Abschlüssen von Partnervermittlungsverträgen außerhalb der Geschäftsräume eine Erklärung zu verwenden,
in welcher von Partner suchenden Interessenten der Verzicht auf das Widerrufsrecht erklärt und das sofortigem Tätigwerden verlangt wird.
Das Gericht führte aus, dass die Zusammenarbeit auf mehrere Monate (im konkreten Fall sechs Monate) angelegt gewesen sei und deshalb in diesem Fall der Verzicht auf das Widerrufsrecht gemäß § 361 Abs. 2 BGB vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist.
Die Chance, dass Geschädigte der PV-Netzwerk GmbH (auch unter ihrem früheren Namen Freundschaftsservice und Freundschaftsvermittlung GmbH) ihr Geld mit Erfolg vollständig zurückfordern können, ist somit sehr groß. Scham ist dabei völlig unangebracht.
Dienstag, 12. September 2017
Der Bundesgerichtshof hat heute wieder mehrere unwirksame Entgeltklauseln gekippt!
Dieses Mal waren Entgeltklauseln der Sparkasse Freiburg betroffen. Es ging um Preise von 5 bis7 Euro für Benachrichtungen über die
- Nichtausführung diverser Überweisungsvorgänge,
- Abbuchungen und
- nicht eingelöster SEPA-Lastschriften innerhalb Deutschlands und in andere Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in Euro oder in anderen Währungen,
- außerdem Änderungen oder Streichungen von Wertpapierordern,
- von Daueraufträgen und eine
-monatliche Grundgebühr von 7 € je angefangenen Monats für ein Pfändungsschutzkonto.
Einzelheiten: siehe unten:
Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle Nr. 140/2017 vom 12.09.2017
Unwirksamkeit mehrerer Entgeltklauseln einer Sparkasse
Urteil vom 12. September 2017 – XI ZR 590/15
Der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass mehrere vorformulierte
Entgeltklauseln einer Sparkasse unwirksam sind und deshalb gegenüber Verbrauchern
nicht verwendet werden dürfen.
Sachverhalt
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der als
qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Er macht die
Unwirksamkeit verschiedener Klauseln geltend, die die beklagte Sparkasse in
ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis gegenwärtig verwendet bzw. verwendet hat.
Im Einzelnen beanstandet der Kläger folgende Regelungen:
- Klausel 1: eine Klausel, mit der die Beklagte für die
berechtigte Ablehnung der Einlösung einer SEPA-Lastschrift ein Entgelt in Höhe
von 5 € erhebt ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der
Einlösung einer SEPA-Basis-Lastschrift bei Postversand 5,00 €");
- Klauseln 2 und 3: zwei Klauseln, mit denen an zwei
unterschiedlichen Stellen im Preis- und Leistungsverzeichnis die jeweils
inhaltsgleiche Regelung getroffen wird, dass für die Unterrichtung über die
berechtigte Ablehnung der Ausführung einer
Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftragslastschrift bei fehlender Deckung ein
Entgelt in Höhe von 5 € anfällt ("Unterrichtung über die berechtigte
Ablehnung der Ausführung (bei Postversand) einer
Einzugsermächtigungs-/Abbuchungsauftrags-lastschrift mangels Deckung 5.00
€");
- Klausel 4: eine Klausel, mit der die Beklagte bei
Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des Europäischen
Wirtschaftsraumes (EWR) in Währungen eines Staates außerhalb des EWR
(Drittstaatenwährung) sowie bei Überweisungen in Staaten außerhalb des EWR
(Drittstaaten) für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung
eines Überweisungsauftrages bei fehlender Deckung ein Entgelt in Höhe von 5 €
berechnet ("Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung
(bei Postversand) … eines Überweisungsauftrages mangels Deckung 5,00 €");
- Klausel 5: eine mit der Klausel 4 wortgleiche Regelung
betreffend Überweisungen innerhalb Deutschlands und in andere Staaten des
Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) in Euro oder in anderen
EWR-Währungen;
- Klausel 6: eine Klausel, mit der die Beklagte unter
anderem für die Aussetzung und die Löschung eines Dauerauftrages bis zum 1.
Juli 2013 auch von Verbrauchern ein Entgelt in Höhe von 2 € erhoben hat ("Dauerauftrag:
Einrichtung/Änderung/Aussetzung/Löschung 2,00 €");
- Klausel 7: eine von der Beklagten bis zum 13. Dezember
2012 verwendete Klausel, wonach für die Führung eines Pfändungsschutzkontos ein
monatliches Entgelt in Höhe von 7 € anfiel ("Pfändungsschutzkonto:
Privat-/Geschäftsgirokonto; Privatgirokonto: Grundpreis je angefangenen Monat
7,00 €");
- Klausel 8: eine Klausel, mit der die Beklagte für die
Änderung oder Streichung einer Wertpapierorder ein Entgelt in Höhe von 5 € in
Rechnung stellt ("Änderung, Streichung einer Order 5,00 €").
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klauseln 1 bis 5 und
7 insgesamt, die Klausel 6 hinsichtlich der Varianten "Aussetzung"
und "Löschung" sowie die Klausel 8 bezüglich der Alternative
"Streichung einer Order" gegen § 307 BGB* verstoßen, und nimmt die
Beklagte insoweit darauf in Anspruch, deren Verwendung gegenüber Privatkunden
zu unterlassen.
Prozessverlauf
Die Unterlassungsklage hatte vor dem Landgericht
überwiegend - mit Ausnahme der Klauseln 7 und 8 - Erfolg. Das Oberlandesgericht
hat ihr auf die Berufung des Klägers auch in Bezug auf die beiden vorgenannten
Klauseln, also umfassend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der
Beklagten hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Die Klauseln 1 bis 5 weichen von § 675f Abs. 4 Satz
2****, § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB***** und damit von einer gesetzlichen
Preisregelung ab, weil das darin jeweils vorgesehene Entgelt in Höhe von 5 €
für die Unterrichtung über die berechtigte Ablehnung der Ausführung einer
SEPA-Lastschrift, einer Einzugsermächtigungs- oder Abbuchungsauftragslastschrift
bzw. einer Überweisung auf der Grundlage des Prozessvortrags der Beklagten
nicht an den hierfür tatsächlich anfallenden Kosten ausgerichtet ist.
Gemäß den - mit den eindeutigen Vorgaben der
EU-Zahlungsdiensterichtlinie in Einklang stehenden - Vorschriften der § 675f
Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BGB****, § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB***** kann der
Zahlungsdienstleister mit dem Zahlungsdienstnutzer im Rahmen des
Zahlungsdiensterahmenvertrages (§ 675f Abs. 2 BGB****) für die Unterrichtung
über eine berechtigte Ablehnung eines Zahlungsauftrages ausnahmsweise ein
Entgelt vereinbaren, das allerdings nach § 675f Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2
BGB**** angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters
ausgerichtet sein muss. Hingegen müssen Kosten für die Entscheidung über die
Ausführung eines Zahlungsauftrages - auch wenn diese der Ablehnung eines
Zahlungsauftrages zwingend vorangeht - außer Betracht bleiben, weil die
Berücksichtigung dieser Kosten sich weder mit dem klaren Gesetzeswortlaut noch
mit den ausdrücklichen Richtlinienvorgaben vereinbaren lässt. Vorliegend ist
das in den Klauseln 1 bis 5 vorgesehene Entgelt in Höhe von 5 € nicht an den
Kosten der Beklagten für die Unterrichtung des Zahlungsdienstnutzers
ausgerichtet. Vielmehr hat die Beklagte in erheblichem Umfang Kostenpositionen
berücksichtigt, die ihren eigenen Erläuterungen zufolge lediglich im
Zusammenhang mit der Entscheidung über die Nichtausführung des
Zahlungsauftrages stehen, nicht aber mit der Unterrichtung des Kunden hierüber.
Die Klausel 6 weicht hinsichtlich der Fallgruppen
"Aussetzung" und "Löschung" eines Dauerauftrages ebenfalls
von der gesetzlichen Preisregelung des § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB**** ab, weil
die Beklagte in diesen Fällen kein Entgelt erheben darf.
Die Ausführung eines Dauerauftrages stellt gemäß § 675c
Abs. 3 BGB** iVm § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZAG******* einen Zahlungsdienst
dar, für dessen Erbringung als vertragliche Hauptleistung der
Zahlungsdienstleister gemäß § 675f Abs. 4 Satz 1 BGB**** ein Entgelt verlangen
kann. Die Aussetzung und Löschung eines Dauerauftrages zielen aber nicht auf
dessen Ausführung, sondern im Gegenteil darauf ab, dass dieser nicht ausgeführt
wird. Sie sind als Widerruf (§ 675p BGB******) des auf Ausführung des
Dauerauftrages gerichteten Zahlungsauftrages zu verstehen. Die Berücksichtigung
dieses Widerrufs stellt eine gesetzliche Nebenpflicht der Beklagten dar, wie
aus § 675f Abs. 4 Satz 2****, § 675p Abs. 4 Satz 3 BGB****** folgt, weil für
die Bearbeitung des Widerrufs nur im Falle von § 675p Abs. 4 Satz 1 BGB******
ein Entgelt vereinbart werden darf. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die
Bearbeitung des Widerrufs im Regelfall unentgeltlich zu erfolgen hat. Die
Klausel 6 entspricht jedoch nicht diesem Regel-/Ausnahmeverhältnis, sondern
sieht unterschiedslos die Erhebung eines Entgelts in Höhe von 2 € vor.
Die Klausel 7 unterliegt ebenfalls der Inhaltskontrolle,
weil sie für die Führung des Pfändungsschutzkontos ein Entgelt in Höhe von 7 €
vorsieht, das nach den Vorgaben der Senatsurteile vom 13. November 2012 (XI ZR
500/11 und XI ZR 145/12; vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 191/2012) eine
kontrollfähige Preisnebenabrede darstellt.
Bei der Klausel 8 handelt es sich im Hinblick auf die
streitige Alternative der "Streichung einer Order" gleichfalls um
eine der Inhaltskontrolle unterworfene Preisnebenabrede. Die Beklagte wälzt
hiermit Aufwand zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden ab.
Erfolgt der Erwerb von Wertpapieren durch eine Bank im Kundenauftrag im Wege des
Kommissionsgeschäfts, so ist Hauptleistungspflicht und damit die durch eine
Preishauptabrede abzugeltende Hauptleistung des Kommissionärs das mit der
gebotenen Sorgfalt zu erbringende Bemühen, dem Auftrag des Kommittenten
entsprechende Kaufverträge abzuschließen. Diese Verpflichtung besteht bei der
Streichung einer Wertpapierorder nicht fort und kann aus diesem Grunde nicht
die zu vergütende Hauptleistung sein. Eine Bank, die die Streichung einer
Wertpapierorder berücksichtigt, erbringt ferner keine rechtlich nicht geregelte
Sonderleistung. Die Streichung einer Wertpapierorder stellt eine - bis zur
Ausführung des Kommissionsgeschäfts jederzeit mögliche - Kündigung des
Kommissionsvertrages dar. Damit geht die gesetzliche Nebenpflicht des
Kommissionärs einher, dieser Kündigung Folge zu leisten und ihr im Verhältnis
zum Kommittenten Rechnung zu tragen. Indem die Klausel 8 für diesen Fall ein
Entgelt in Höhe von 5 € vorsieht, wälzt sie einen Aufwand der Beklagten zur
Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden ab und unterliegt damit als
Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle. Dass der Kunde Wertpapiere von seiner
Bank auch im Wege des sogenannten Festpreisgeschäfts erwerben kann, von dem der
Kunde sich nicht jederzeit einseitig lösen kann, ist unerheblich. Denn die
Klausel 8 differenziert nicht zwischen einem Erwerb von Wertpapieren im Wege
des Kommissionsgeschäfts oder des sogenannten Festpreisgeschäfts.
Der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle halten die
angegriffenen Klauseln nicht stand, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelungen, von denen abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sind
(§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB*) und die Kunden der Beklagten entgegen den Grundsätzen
von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB*).
Dies gilt für die Klauseln 1, 2, 3, 5 und 6 (im
angegriffenen Umfang der
"Aussetzung" und "Löschung" eines Dauerauftrages)
bereits deshalb, weil sie gegen die Vorgaben von § 675f Abs. 4 Satz 2****, §
675o Abs. 1 Satz 4 BGB***** verstoßen, von denen gemäß § 675e Abs. 1 BGB***
nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden darf.
Die Klausel 4 weicht von den gemäß § 675e Abs. 2 Satz 2
Halbsatz 1 BGB*** disponiblen Vorgaben der § 675f Abs. 4 Satz 2****, § 675o
Abs. 1 Satz 4 BGB***** ab, wodurch die unangemessene Benachteiligung im Sinne
des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB* indiziert wird. Umstände, nach denen diese
Vermutung als widerlegt anzusehen sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Klausel 7 hält nach den Vorgaben der Senatsurteile
vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145/12; vgl. dazu
Pressemitteilung Nr. 191/2012) einer Inhaltskontrolle ebenfalls nicht stand.
Die Klausel 8 ist unwirksam, weil sie von wesentlichen
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht, da sie einen Aufwand der
Beklagten für die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf den Kunden abwälzt.
Zu den wesentlichen Grundgedanken auch des dispositiven Rechts gehört, dass
jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Rechtspflichten zu erfüllen hat,
ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch hierauf
besteht nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise vorgesehen ist, was vorliegend
nicht der Fall ist. Durch die Abweichung von den Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung wird die unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz
1 BGB* indiziert, ohne dass Umstände ersichtlich oder vorgetragen wären, die
diese Vermutung widerlegen.
Im Hinblick auf die Verwendung der beanstandeten Klauseln
besteht schließlich auch die erforderliche Wiederholungsgefahr.
Die auf Grund der Verwendung der Klauseln 1 bis 5 und 8
in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis vermutete Wiederholungsgefahr hat die
Beklagte nicht widerlegt. Darüber hinaus ist bezüglich der Klausel 6
gleichfalls von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Beklagte hat diese
Regelung nicht nur außergerichtlich, sondern auch noch im Rechtsstreit
verteidigt. Dass sie die Klausel mit Wirkung zum 1. Juli 2013 in ihrem Preis- und
Leistungsverzeichnis geändert hat, reicht allein zur Widerlegung der
Wiederholungsgefahr nicht aus. Unerheblich ist auch, ob die Aufnahme der
Klausel 6 in das Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten - wie diese im
Rechtsstreit geltend gemacht hat - auf einem redaktionellen Versehen beruht.
Eine Wiederholungsgefahr ist in Bezug auf die Klausel 7
ebenfalls nicht ausgeräumt. Abgesehen davon, dass allein die insoweit erfolgte
Änderung des Preis- und Leistungsverzeichnisses der Beklagten zum 13. Dezember
2012 für sich gesehen die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lässt, ist eine
abweichende Beurteilung auch nicht unter Berücksichtigung des weiteren
Umstandes veranlasst, dass dies in Reaktion auf die vorgenannten Senatsurteile
vom 13. November 2012 (XI ZR 500/11 und XI ZR 145; vgl. dazu Pressemitteilung
Nr. 191/2012) erfolgt ist. Denn die Beklagte hat diese Klausel gegenüber dem
Kläger noch vorgerichtlich in der Sache verteidigt und sich erst im Prozess
darauf zurückgezogen, es sei keine Wiederholungsgefahr mehr gegeben. Die Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist daher nicht entbehrlich.
Darüber hinaus ist aufgrund der Änderung der Regelung mit Wirkung für die
Zukunft nicht die Gefahr beseitigt, dass sich die Beklagte in der Abwicklung von
Altfällen auf die unwirksame Klausel berufen könnte, da sie insoweit keine
Maßnahmen getroffen hat, dieser Gefahr zu begegnen.
Vorinstanzen:
Landgericht Freiburg – Urteil vom 14. April 2014 – 2 O
48/13
OLG Karlsruhe – Urteil vom 2. Dezember 2015 – 13 U
72/14
Karlsruhe, den 12. September 2017
*§ 307 BGB
Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind
unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene
Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar
und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel
anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der
Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des
Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten
nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart
werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit
Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
**§ 675c BGB
(1) Auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der die
Erbringung von Zahlungsdiensten zum Gegenstand hat, sind die §§ 663, 665 bis
670 und 672 bis 674 entsprechend anzuwenden, soweit in diesem Untertitel nichts
Abweichendes bestimmt ist.
(2) Die Vorschriften dieses Untertitels sind auch auf
einen Vertrag über die Ausgabe und Nutzung von elektronischem Geld anzuwenden.
(3) Die Begriffsbestimmungen des Kreditwesengesetzes und
des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes sind anzuwenden.
***§ 675 e BGB
(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf von den
Vorschriften dieses Untertitels nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers
abgewichen werden.
(2) Für Zahlungsdienste im Sinne des § 675d Abs. 1 Satz 2
sind § 675q Abs. 1 und 3, § 675s Abs. 1, § 675t Abs. 2, § 675x Abs. 1 und §
675y Abs. 1 und 2 sowie § 675z Satz 3 nicht anzuwenden; soweit solche
Zahlungsdienste in der Währung eines Staates außerhalb des Europäischen
Wirtschaftsraums erbracht werden, ist auch § 675t Abs. 1 nicht anzuwenden. Im
Übrigen darf für Zahlungsdienste im Sinne des § 675d Abs. 1 Satz 2 zum Nachteil
des Zahlungsdienstnutzers von den Vorschriften dieses Untertitels abgewichen
werden; soweit solche Zahlungsdienste jedoch in Euro oder in der Währung eines
Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des
Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erbracht werden, gilt dies
nicht für § 675t Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3.
(3) …
(4) …
****§ 675f BGB
Zahlungsdienstevertrag
(1) …
(2) Durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag wird der
Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und
aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den
Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer
Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Ein
Zahlungsdiensterahmenvertrag kann auch Bestandteil eines sonstigen Vertrags
sein oder mit einem anderen Vertrag zusammenhängen.
(3) Zahlungsvorgang ist jede Bereitstellung, Übermittlung
oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden
Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Zahlungsauftrag ist
jeder Auftrag, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines
Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger
erteilt.
(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem
Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte
Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem
Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein
Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem
Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und
an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.
(5) …
*****§ 675o BGB
Ablehnung von Zahlungsaufträgen
(1) Lehnt der Zahlungsdienstleister die Ausführung eines
Zahlungsauftrags ab, ist er verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer hierüber
unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb der Fristen gemäß § 675s Abs. 1 zu
unterrichten. In der Unterrichtung sind, soweit möglich, die Gründe für die
Ablehnung sowie die Möglichkeiten anzugeben, wie Fehler, die zur Ablehnung
geführt haben, berichtigt werden können. Die Angabe von Gründen darf
unterbleiben, soweit sie gegen sonstige Rechtsvorschriften verstoßen würde. Der
Zahlungsdienstleister darf mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag
für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung ein Entgelt
vereinbaren.
(2) …
(3) …
******§ 675p BGB
Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags
(1) Der Zahlungsdienstnutzer kann einen Zahlungsauftrag
vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 nach dessen Zugang beim Zahlungsdienstleister
des Zahlers nicht mehr widerrufen.
(2) Wurde der Zahlungsvorgang vom Zahlungsempfänger oder
über diesen ausgelöst, so kann der Zahler den Zahlungsauftrag nicht mehr
widerrufen, nachdem er den Zahlungsauftrag oder seine Zustimmung zur Ausführung
des Zahlungsvorgangs an den Zahlungsempfänger übermittelt hat. Im Fall einer
Lastschrift kann der Zahler den Zahlungsauftrag jedoch unbeschadet seiner
Rechte gemäß § 675x bis zum Ende des Geschäftstags vor dem vereinbarten
Fälligkeitstag widerrufen.
(3) Ist zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und seinem
Zahlungsdienstleister ein bestimmter Termin für die Ausführung eines
Zahlungsauftrags (§ 675n Abs. 2) vereinbart worden, kann der
Zahlungsdienstnutzer den Zahlungsauftrag bis zum Ende des Geschäftstags vor dem
vereinbarten Tag widerrufen.
(4) Nach den in den Absätzen 1 bis 3 genannten
Zeitpunkten kann der Zahlungsauftrag nur widerrufen werden, wenn der
Zahlungsdienstnutzer und sein Zahlungsdienstleister dies vereinbart haben. In
den Fällen des Absatzes 2 ist zudem die Zustimmung des Zahlungsempfängers zum
Widerruf erforderlich. Der Zahlungsdienstleister darf mit dem
Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag für die Bearbeitung eines
solchen Widerrufs ein Entgelt vereinbaren.
(5) …
*******§ 1 ZAG
Begriffsbestimmungen; Ausnahmen für bestimmte
Zahlungsinstitute
(1) …
(2) Zahlungsdienste sind:
1. ….
2.die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich der
Übermittlung von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim Zahlungsdienstleister
des Zahlungsdienstnutzers oder bei einem anderen Zahlungsdienstleister
durch
a) …
b) die Ausführung von Überweisungen einschließlich
Daueraufträgen (Überweisungsgeschäft),
c) …
ohne Kreditgewährung (Zahlungsgeschäft),
…..
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
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