Bundesgerichtshof Mitteilung der Pressestelle -Nr. 025/2018 vom 07.02.2018
Bundesgerichtshof zu Grundsätzen der Darlegungslast des
Vermieters bei bestrittener Heizkostenabrechnung und zum Umfang einer Belegeinsicht des Mieters
Urteil vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung
mit grundsätzlichen Fragen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast und zu
den Verpflichtungen des Vermieters auf Gewährung einer Belegeinsicht im
Zusammenhang mit der jährlichen Betriebskostenabrechnung bei
Wohnraummietverhältnissen (§ 556 BGB) beschäftigt.
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Die Beklagten waren Mieter einer 94 qm großen
Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus der Klägerin in Heppenheim. Die
gesamte Wohnfläche des Hauses beläuft sich, soweit sie an den für die Wohnung
der Beklagten maßgeblichen Heizkreis angeschlossen ist, auf knapp 720 qm. Der
zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag sah eine monatliche
Vorauszahlung auf die Betriebskosten in Höhe von 200 € vor.
Für die Jahre 2013 und 2014 verlangt die Klägerin von den
Beklagten eine Nachzahlung auf die in den Betriebskosten enthaltenen Heizkosten
in Höhe von mehr als 5.000 €. Die betreffenden Jahresabrechnungen weisen für
die Mietwohnung der Beklagten Verbrauchswerte aus, die 42 beziehungsweise 47
Prozent der jeweils im Heizkreis insgesamt gemessenen Verbrauchseinheiten
ausmachen. Die Beklagten beanstanden diese Abrechnungswerte als nicht plausibel
und bestreiten, diese in ihrer Höhe auffällig von der Wohnflächenverteilung
abweichende Wärmemenge tatsächlich verbraucht zu haben. Ihrer Forderung, ihnen
zur Überprüfung die Ablesebelege zu den Verbrauchseinheiten der übrigen
Wohnungen vorzulegen, kam die Klägerin nicht nach.
Die auf eine entsprechende Betriebskostennachzahlung
gerichtete Klage der Klägerin hat in beiden Vorinstanzen Erfolg gehabt. Nach
Auffassung des Berufungsgerichts ändere auch eine außergewöhnliche Höhe der
Heizkosten nichts daran, dass die Beklagten als Mieter konkret dazulegen
hätten, weshalb die ihnen in Rechnung gestellten Heizkosten (2013: 3.492 €;
2014 3.857 €) der Höhe nach nicht berechtigt seien. Auch sei nicht
nachvollziehbar, welche Vorteile die Beklagten für sich aus der Einsichtnahme
in die Belege der anderen im Haus befindlichen Mietwohnungen herleiten wollten.
Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision wollten die Beklagten die
Abweisung der Klage erreichen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige
VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Entscheidung genutzt, einige
- vom Berufungsgericht vorliegend verkannte -
Grundsätze zur Verteilung der
Darlegungs- und Beweislast und zu den Verpflichtungen des Vermieters auf
Gewährung einer Belegeinsicht im Zusammenhang mit der jährlichen
Betriebskostenabrechnung zu vertiefen.
Bei einer Nachforderung von Betriebskosten, die der
Mieter aufgrund entsprechender Vereinbarung zu tragen hat (§ 556 Abs. 1 Satz 1
BGB), liegt die Darlegungs- und Beweislast für die erhobene Forderung, also für
die richtige Erfassung, Zusammenstellung und Verteilung der angefallenen
Betriebskosten auf die einzelnen Mieter, beim Vermieter. Insofern war es
bereits im Ausgangspunkt verfehlt, dass das Berufungsgericht den Beklagten als
Mietern die Verpflichtung auferlegt hat, "objektiv nachvollziehbare
Anhaltspunkte" (wie etwa bestehende Leitungsverluste) vorzutragen, aus
denen sich eine Unrichtigkeit der ihnen in Rechnung gestellten Verbrauchswerte
ergibt. Es hätte sich jedenfalls im
Grundsatz bei sachgerechter Beurteilung der Beweislastverteilung
vielmehr von der Zuverlässigkeit und Korrektheit der von der Klägerin als
Vermieterin vorgenommenen Verbrauchserfassung, Zusammenstellung und Verteilung
überzeugen sowie den dazu von der Klägerin angetretenen Zeugen- und
Sachverständigenbeweis erheben müssen.
Im Streitfall kam als Besonderheit hinzu, dass die
Beklagten weiterhin den Einwand erhoben hatten, die Klägerin hätte ihnen
jedenfalls die Ablesebelege zu den Verbrauchseinheiten der anderen Wohnungen
vorlegen müssen. Diesen Einwand hat das Berufungsgericht zu Unrecht für
unerheblich und deshalb zur Rechtfertigung des auch hierauf gestützten
Klageabweisungsbegehrens der Beklagten für nicht durchgreifend erachtet. Denn eine
vom Vermieter gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB vorzunehmende Abrechnung muss eine
aus sich heraus verständliche geordnete Zusammenstellung der zu den
umzulegenden Betriebskosten im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und
Ausgaben enthalten, um es dem Mieter zu ermöglichen, die zur Verteilung
anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an
diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen.
Dabei gehört es auch noch zu einer vom Vermieter
vorzunehmenden ordnungsgemäßen Abrechnung, dass er im Anschluss dem Mieter auf
dessen Verlangen zusätzlich die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen
ermöglicht, soweit dies etwa zur sachgerechten Überprüfung der
Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich
ist. In diesem Zusammenhang kann der Mieter auch die Einsichtnahme in die vom
Vermieter erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer eines gemeinsam
versorgten Mietobjekts hinsichtlich der Heizkosten beanspruchen, um sich etwa
Klarheit zu verschaffen, ob bei einer - wie im Streitfall -
verbrauchsabhängigen Abrechnung der Gesamtverbrauchswert mit der Summe der
Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen übereinstimmt, ob deren Werte plausibel
sind oder ob sonst Bedenken gegen die Richtigkeit der Kostenverteilung
bestehen.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts muss der
Mieter insoweit auch kein "besonderes Interesse" an der Belegeinsicht
in die Verbrauchswerte der anderen Mietwohnungen darlegen; es genügt hierfür
vielmehr bereits sein allgemeines Interesse, die Tätigkeit des
abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren. Solange der Vermieter
unberechtigt eine entsprechend begehrte Belegeinsicht verweigert, besteht
deshalb auch keine Verpflichtung des Mieters, die geforderte Nachzahlung zu leisten.
Der Senat hat daher das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Klage
als (derzeit) unbegründet abgewiesen.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 556 BGB Vereinbarungen über Betriebskosten
(1)1Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der
Mieter Betriebskosten trägt. […]
[…]
(3) 1Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist
jährlich abzurechnen […]
Vorinstanzen:
Amtsgericht Bensheim - Urteil vom 20. April 2016 - 6 C
867/15
Landgericht Darmstadt - Urteil vom 27. Juli 2017 - 6 S
213/16
Karlsruhe, den 7. Februar 2018
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