Entsprechende Regelungen in Banken-AGB sind unwirksam.
Bundesgerichtshof Mitteilung der Pressestelle
Nr. 177/2015 vom 20.10.2015
Bundesgerichtshof erklärt Entgeltklausel für die
Ausstellung einer Ersatzkarte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer
Bank für unwirksam
Urteil vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14
Der unter anderem für das Bankrecht zuständige XI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Unterlassungsklage eines
Verbraucherschutzverbands entschieden, dass die Entgeltklausel für die
Ausstellung einer Ersatzkarte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer
Bank unwirksam ist.
Die beklagte Bank verwendet in ihrem Preis- und
Leistungsverzeichnis in Bezug auf Zahlungsverkehrskarten eine Klausel, wonach
das Entgelt für eine "Ersatzkarte auf Wunsch des Kunden (Entgelt für
Ausstellung der Karte)" 15 € beträgt und dieses Entgelt "nur zu
entrichten [ist], wenn die Notwendigkeit der Ausstellung der Ersatzkarte ihre
Ursache nicht im Verantwortungsbereich der Bank hat."
Der XI. Zivilsenat hat der Unterlassungsklage, die in
beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben war, auf die Revision des Klägers
stattgegeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, die angegriffene Klausel halte
der gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht stand:
Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB* unterliegen unter anderem
solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende Regelungen vereinbart werden. Das trifft auf die
beanstandete Klausel zu. Die Auslegung der umfassend formulierten Regelung -
die sich ihrem eindeutigen Wortlaut nach auf sämtliche Fälle bezieht, in denen
der Kunde bei der Beklagten wegen der Ausstellung einer Ersatzkarte vorstellig
wird - ergibt, dass die Bank hiernach auch dann die Zahlung des Entgelts in
Höhe von 15 € verlangen kann, wenn die Ausgabe der Ersatzkarte wegen der
vereinbarungsgemäß erfolgten Sperrung der Erst- bzw. Originalkarte nach § 675k
Abs. 2 BGB** notwendig geworden ist, deren Verlust oder Diebstahl - als nicht
in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallende Vorgänge - der Kunde gemäß
§ 675l Satz 2 BGB*** angezeigt hat. Mit der Bepreisung einer vom Kunden in
diesen Fällen begehrten Ersatzkarte weicht die Beklagte von § 675k Abs. 2 Satz
5 BGB** ab. Nach dieser Vorschrift trifft den Zahlungsdienstleister (Bank) nach
der Sperrung der Erstkarte und Wegfall der Sperrgründe die gesetzliche
Nebenpflicht, dem Kunden ein neues Zahlungsauthentifizierungsinstrument
(Zahlungskarte) auszustellen, wenn - wie im Falle des Abhandenkommens oder des
Diebstahls der Erstkarte - die bloße Entsperrung nicht in Betracht kommt. Für
die Erfüllung dieser gesetzlichen Nebenpflicht kann der Zahlungsdienstleister
mangels gesetzlicher Anordnung im Sinne von § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB**** kein
Entgelt verlangen. Für eine Differenzierung nach
"Verantwortungsbereichen", wie die Beklagte sie mit der streitigen
Klausel vornimmt, bietet § 675k Abs. 2 Satz 5 BGB** keine Grundlage. Außerdem
wälzt die Beklagte mittels der beanstandeten Klausel Aufwand zur Erfüllung
eigener Pflichten auf ihre Kunden ab. Gemäß § 675l Satz 2 BGB*** hat der Zahler
(Kunde) dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten Stelle den
Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder die sonstige nicht
autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments unverzüglich
anzuzeigen, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat. Der Zahlungsdienstleister
ist gemäß § 675m Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB***** verpflichtet, jede Nutzung des
Zahlungsauthentifizierungsinstruments zu verhindern, sobald eine Anzeige nach §
675l Satz 2 BGB*** erfolgt ist. Das kann im Falle einer Zahlungskarte nur durch
deren Sperrung erreicht werden. Die danach erforderliche Ausgabe einer
Ersatzkarte ist zumindest in den Fällen des Verlusts oder Diebstahls der
Erstkarte zwangsläufige Folge der Erfüllung dieser Pflicht.
Die vom Kläger beanstandete Klausel ist nicht nur
kontrollfähig, sondern auch unwirksam. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die zum
Nachteil des Kunden gegen (halb-)zwingendes Recht verstoßen, benachteiligen ihn
zugleich mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unangemessen im Sinne des § 307 Abs.
1 Satz 1 BGB. Von den Vorgaben des § 675f Abs. 4 Satz 2 BGB**** darf von
Gesetzes wegen nicht zum Nachteil eines Verbrauchers als Zahlungsdienstnutzers
abgewichen werden.
Landgericht Köln - Urteil vom 23. Januar 2013 - 26 O
306/12
Oberlandesgericht Köln - Urteil vom 19. März 2014 - 13 U
46/13 (WM 2014, 1338 ff.)
Karlsruhe, den 20. Oktober 2015
* § 307 BGB
Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind
unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene
Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar
und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel
anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der
Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des
Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten
nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart
werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit
Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
** § 675k BGB
Nutzungsbegrenzung
(1) In Fällen, in denen die Zustimmung mittels eines
Zahlungsauthentifizierungsinstruments erteilt wird, können der Zahler und der
Zahlungsdienstleister Betragsobergrenzen für die Nutzung dieses
Zahlungsauthentifizierungsinstruments vereinbaren.
(2) Zahler und Zahlungsdienstleister können vereinbaren,
dass der Zahlungsdienstleister das Recht hat, ein
Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu sperren, wenn
1. sachliche Gründe im Zusammenhang mit der Sicherheit
des Zahlungsauthentifizierungsinstruments dies rechtfertigen,
2. der Verdacht einer nicht autorisierten oder einer
betrügerischen Verwendung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments besteht
oder
3. bei einem Zahlungsauthentifizierungsinstrument mit
Kreditgewährung ein wesentlich erhöhtes Risiko besteht, dass der Zahler seiner
Zahlungspflicht nicht nachkommen kann.
In diesem Fall ist der Zahlungsdienstleister
verpflichtet, den Zahler über die Sperrung des
Zahlungsauthentifizierungsinstruments möglichst vor, spätestens jedoch
unverzüglich nach der Sperrung zu unterrichten. In der Unterrichtung sind die
Gründe für die Sperrung anzugeben. Die Angabe von Gründen darf unterbleiben,
soweit der Zahlungsdienstleister hierdurch gegen gesetzliche Verpflichtungen
verstoßen würde. Der Zahlungsdienstleister ist verpflichtet, das
Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu entsperren oder dieses durch ein neues
Zahlungsauthentifizierungsinstrument zu ersetzen, wenn die Gründe für die
Sperrung nicht mehr gegeben sind. […]
***§ 675l BGB
Pflichten des Zahlers in Bezug auf
Zahlungsauthentifizierungsinstrumente
Der Zahler ist verpflichtet, unmittelbar nach Erhalt
eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu
treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu
schützen. Er hat dem Zahlungsdienstleister oder einer von diesem benannten
Stelle den Verlust, den Diebstahl, die missbräuchliche Verwendung oder die
sonstige nicht autorisierte Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments
unverzüglich anzuzeigen, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat.
****§ 675f BGB
Zahlungsdienstevertrag
(1) […]
(2) […]
(3) […]
(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem
Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte
Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem
Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein
Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem
Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und
an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.
(5) […]
*****§ 675m BGB
Pflichten des Zahlungsdienstleisters in Bezug auf
Zahlungsauthentifizierungsinstrumente; Risiko der Versendung
(1) Der Zahlungsdienstleister, der ein
Zahlungsauthentifizierungsinstrument ausgibt, ist verpflichtet,
1. […]
2. […]
3. […]
4. jede Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments
zu verhindern, sobald eine Anzeige gemäß § 675l Satz 2 erfolgt ist. […]
(2) […]
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