Donnerstag, 18. Juni 2015

Wenn Musterschreiben in die Hose gehen!



Bundesgerichtshof -Mitteilung der Pressestelle

Nr. 100/2015 vom 18.06.2015

Keine Verjährungshemmung durch Mustergüteanträge


Urteile vom 18. Juni 2015 – III ZR 189/14, 191/14, 198/14 und 227/14

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, welche Anforderungen an Güteanträge zu stellen sind, die zur Hemmung der Verjährung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB* führen. Den Klagen der geschädigten Anleger lagen jeweils Mustergüteanträge zugrunde, wie sie einem breiten Publikum von Rechtsanwälten zur Verfügung gestellt und in großer Zahl verwendet worden sind.

Die Kläger verlangen von dem beklagten Finanzdienstleistungsunternehmen unter dem Vorwurf der fehlerhaften Kapitalanlageberatung Schadensersatz. Den Klagen liegen Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds aus den Jahren 1999 und 2001 zugrunde. Die Frist für die Verjährung der Schadensersatzansprüche betrug gemäß § 195 BGB a.F.** zunächst 30 Jahre. Seit dem 1. Januar 2002 gilt gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB*** jedoch eine maximale Verjährungsfrist von 10 Jahren, die hier mit Ablauf des 2. Januar 2012 (Montag) endete (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB n.F.****). Zum Zweck der Hemmung der Verjährung reichten die jeweiligen Kläger im Dezember 2011 Güteanträge bei einer Gütestelle in Freiburg/Breisgau ein. Diese im Wesentlichen inhaltsgleichen Güteanträge gehen auf vorformulierte Mustergüteanträge zurück, die Anlegern von einer Anwaltskanzlei zur Verfügung gestellt worden waren. Dem Vernehmen nach haben mehrere tausend Anleger hiervon (oder von ähnlichen Musteranträgen) Gebrauch gemacht. Diese Fälle sind Gegenstand von laufenden Zivilprozessen in verschiedenen Gerichtsinstanzen. 

Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass Güteanträge in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen haben; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Der Güteantrag muss für den Gegner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten.

Diesen Anforderungen genügen die verwendeten (Muster-)Güteanträge nicht. Sie weisen keinen Bezug zum konkreten Beratungshergang in dem der Gütestelle vorgelegten Einzelfall auf und enthalten als individuelle Angaben lediglich die Namen der Kläger (als Anleger, Gläubiger und Antragsteller) sowie die Bezeichnung des Anlagefonds; sie nennen weder die Zeichnungssumme noch den (ungefähren) Beratungszeitraum noch andere die getätigte Anlage individualisierende Tatsachen. Auch das angestrebte Verfahrensziel wird in den Güteanträgen nicht ausreichend beschrieben. Die Größenordnung des jeweils geltend gemachten Anspruchs ist für die Beklagte (als Antragsgegnerin) nicht im Ansatz zu erkennen gewesen. 

Folge hiervon ist, dass die Güteanträge nicht geeignet waren, die mit der Einreichung dieser Anträge bezweckte Hemmung der Verjährung herbeizuführen; die verfolgten Schadensersatzforderungen sind daher mit Ablauf des 2. Januar 2012 und somit vor der späteren Klageerhebung verjährt und können nicht mehr durchgesetzt werden (§ 214 Abs. 1 BGB*****).

Damit erweist sich eine große Zahl derzeit laufender Klagen von Kapitalanlegern als unbegründet.

Karlsruhe, den 18. Juni 2015

* § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB:

Die Verjährung wird gehemmt durch die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags, der bei einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle (…) eingereicht ist; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

** § 195 BGB a.F. (Fassung bis zum 1. Januar 2002):

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt dreißig Jahre.

*** Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB:

Ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tage geltenden Fassung, so wird die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet.

**** § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB  n.F. (Fassung seit dem 1. Januar 2002):

 

Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. 

***** § 214 Abs. 1 BGB:

 

Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.

III ZR 189/14

LG Hannover – Urteil vom 3. Dezember 2013 – 7 O 125/13

OLG Celle – Beschluss vom 21. Mai 2014 – 11 U 314/13

und

III ZR 191/14

LG Hannover – Urteil vom 9. Oktober 2013 – 11 O 38/13

OLG Celle – Beschluss vom 19. Mai 2014 – 11 U 259/13

und

III ZR 198/14

LG Hannover – Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 O 107/13

OLG Celle – Beschluss vom 26. Mai 2014 – 11 U 15/14

und

III ZR 227/14

LG Hannover – Urteil vom 9. Oktober 2013 – 11 O 29/13

OLG Celle – Beschluss vom 16. Juni 2014 – 11 U 255/13

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Mittwoch, 17. Juni 2015

Fristablauf für Widerrufserklärungen von Verbraucherkaufverträgen aus 2002 bis 12.06.2014 endet am 29. Juni 2015





Am 29. Juni 2015 endet für Verbraucher die Möglichkeit, ihre Erklärungen  zum Abschluss  von  Kaufverträgen, welche Lieferungen auf Raten, Teilzahlungsvereinbarungen und Haustürgeschäfte, also Vertragsabschlüsse außerhalb der Geschäftsräume des Verkäufers, zum Inhalt haben, wegen unrichtiger  Widerrufsbelehrungen gegenüber dem Verkäufer widerrufen zu können.
Betroffen davon sind die oben genannten Vertragstypen, deren Vertragsschluss oder Bestellungen ab dem Jahr 2002 erfolgt sind. Für Verträge von 2002 existiert diese Möglichkeit  nicht, weil damals eine andere Rechtslage galt.
Eine Branche, die Ratenlieferungen und Haustürgeschäfte im großen Stil betreibt, ist die Verlagsbranche. Diverse Verlage, z.B. Brockhaus, Bertelsmann, Chronik Verlag etc. geben  Lexika, Chroniken oder populärwissenschaftliche Werke  heraus, deren Bezug sich über Jahre hinzieht.
Bei diesen Verträgen sind häufig die Widerrufsbelehrungen unrichtig, weshalb die jeweils geltende Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde. Aus diesem Grund können solche Verträge auch heute noch widerrufen werden. Nachdem der Gesetzgeber nachträglich die Möglichkeit des Widerrufs für Verbraucherkaufverträge nachträglich befristet hat, läuft  für Altverträge mit dem 29.06.2015 diese Möglichkeit endgültig aus.
Für Verbraucher, denen vor Jahren angeblich hochwertige Bücher im Dauerbezug angeboten wurden, ist daher Eile geboten, um sich rückwirkend von solchen Verträgen zu lösen. Der Widerruf ist sogar dann noch möglich, wenn der Bezug einer Serie bereits vollständig abgeschlossen ist.

Wer jetzt noch widerrufen will, muss unverzüglich handeln. Eine einfache schriftliche Erklärung genügt. Diese muss an den Verkäufer gerichtet sein und  könnte z.B. lauten:

"Hiermit widerrufe ich den Vertrag (Kundennummer/Rechnungsnummer) über den Bezug des Werkes (genaue Angabe des Werkes) sei 2002 (oder Beginn des Bezuges)  und fordere Sie auf, alle erhaltenen Zahlungen zuzüglich Zinsen i. H. v. fünf  Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz an mich ………………. (Name, Anschrift) auf mein Konto ............. (genaue Bankverbindung) binnen 30 Tagen zurückzuzahlen. Die Ware wird Ihnen danach zurückgeschickt.
Unterschrift“
Diese Erklärung muss nachweislich vor dem  29.06.2015 abgeschickt werden und sollte nachweislich  dem Verkäufer auch zugehen. Beides lässt sich durch den Versand per Einschreiben mit Rückschein oder Einwurfeinschreiben nachweisen. Der Einlieferungsbeleg sowie eine Kopie Ihres Schreibens sind aufzubewahren. Wer sicher gehen will, sollte also nicht bis zum letzten Tag, dem 29.06. 2015 warten.
Ob der Widerruf im konkreten Fall tatsächlich greift, muss anhand des Vertragstextes in jedem Fall einzeln geprüft werden, was wegen der kurzen Frist bis zum 29.06.2015 i. d. R. nicht mehr möglich sein wird. Sollte sich bei der späteren Prüfung herausstellen, dass die Widerrufsbelehrung im konkreten Fall korrekt war, schadet der Widerruf nicht. Der Vertrag bleibt bestehen. Ist aber die Widerrufsbelehrung falsch gewesen, was häufig der Fall ist, können erhebliche Summen zurück gefordert werden.  Dies ist schon deshalb gerechtfertigt, weil häufig mit völlig überzogenen Angaben zum Wert dieser Bücher und deren Wertsteigerung geworben wurde.