Der Bundesgerichtshof hat über die Frage zu entscheiden, ob Banken für geduldete Überziehungen einerseits laufzeitabhängig Zinsen verbunden mit einem laufzeitunabhängigen Mindestbetrag als Pauschale berechen dürfen oder ob dies ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt und zu einer unangemessenen Benachteiligung führt.
Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle Nr. 156/2016 vom 13.09.2016
Verhandlungstermin am 25. Oktober 2016, 11.00 Uhr, in
Sachen XI ZR 9/15 (Kosten für geduldete
Überziehung)
Der Kläger, der Dachverband der Verbraucherzentralen,
nimmt die Beklagte, eine Geschäftsbank, gemäß § 1 UKlaG auf Unterlassung der
Verwendung einer Klausel aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in
Anspruch. In den von der Beklagten verwendeten "Bedingungen für geduldete
Überziehungen" heißt es auszugsweise wie folgt:
"5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete
Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt 16,50 % p.
a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen fallen nicht
an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht
übersteigen.
(…)
8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem
Zeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und
werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal pro Rechnungsabschluss
berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an, soweit
die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten
übersteigen."
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Regelung unter
Ziffer 8. Satz 1 der Bedingungen als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle
unterliege und dieser nicht standhalte, weil sie Verbraucher unangemessen im
Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* benachteilige.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung
abgewiesen, dass es sich bei der Klausel um eine gemäß § 307 Abs. 3 BGB* nicht
der Inhaltskontrolle unterliegende Preishauptabrede handele.
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht
der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt,
dass die angegriffene Klausel jedenfalls in der Kombination zwischen einem
laufzeitabhängigen Entgelt in Gestalt der unter Ziffer 5. der Bedingungen
vorgesehenen Sollzinsen und einem laufzeitunabhängigen Mindestentgelt – den
unter Ziffer 8. der Bedingungen vorgesehenen Kosten – eine kontrollfähige
Preisnebenabrede darstelle. Denn das Entgelt für die Gewährung eines in Form
einer geduldeten Überziehung gewährten Darlehens sei der laufzeitabhängig
ausgestaltete Zins. Demgegenüber seien die Kosten laufzeitunabhängig
ausgestaltet. Die laufzeitunabhängige Ausgestaltung der Kosten verdeutliche –
auch wenn diese nicht neben den Sollzinsen erhoben werden – gerade bei
geringfügigen Überziehungen, dass diese nicht allein das Entgelt für das
gewährte Darlehen zum Gegenstand haben, sondern auch einen bei der Beklagten
anfallenden Aufwand, den sie für die Erfüllung eigener Pflichten und im eigenen
Interesse erbringe.
Die Klausel halte der Inhaltskontrolle nicht stand. Zum
einen werde, soweit die unter Ziffer 5. der Bedingungen vereinbarten Zinsen
unter einem Betrag von 6,90 € bleiben, ein Aufwand für Tätigkeiten des
Verwenders auf den Kunden abgewälzt. Derartige Entgeltklauseln seien gemäß §
307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Zum anderen weiche es vom Leitbild des § 488
Abs. 1 Satz 2 BGB** ab, dass das Entgelt für die Gewährung der Kapitalnutzung
laufzeitunabhängig ausgestaltet sei. Diese Abweichung indiziere bereits die
unangemessene Benachteiligung. Gründe, welche die Klausel gleichwohl angemessen
erscheinen lassen, seien nicht ersichtlich, zumal die laufzeitunabhängigen
Kosten gerade bei geringfügigen Überziehungen im Verhältnis zu diesen eine exorbitante
Höhe erreichen.
Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision
begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 21. Juni 2013 – 12 O
345/12
OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 4. Dezember 2014 – 1 U
170/13
Karlsruhe, den 13. September 2016
*§ 307 BGB
Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind
unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene
Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar
und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel
anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der
Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des
Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten
nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart
werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit
Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
** § 488 Abs. 1 BGB
Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber
verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur
Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten
Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen
zurückzuzahlen.
(2) (…)
(3) (…)
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