Bundesgerichtshof-Mitteilung der Pressestelle Nr. 098/2016 vom 07.06.2016
Terminhinweis am 12. Juli 2016, 9.00 Uhr, in Sachen XI ZR
564/15 (Streit um Widerruf bei
Verbraucherdarlehensvertrag)
Zum wiederholten Male steht eine Verhandlung zu dieser Frage vor dem BGH an. Bisher haben die Banken jedesmal eine Entscheidung des Gerichts mit bundesweiter Signalwirkung durch Einigung in letztet Minute zu verhindern gewußt.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs
eines Verbraucherdarlehensvertrags.
Die Kläger schlossen im April 2008 mit der Beklagten
einen Darlehensvertrag über einen Nennbetrag in Höhe von 50.000 €. Als Sicherheit
der Beklagten dienten Grundpfandrechte. Die Beklagte belehrte die Kläger über
ihr Widerrufsrecht. Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter
dem 24. Juni 2013 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags
gerichtete Willenserklärung. Sie leisteten an die Beklagte ohne Anerkennung
einer Rechtspflicht weitere 40.625,33 €.
Ihrer Klage auf Zahlung der Differenz zwischen diesem
Betrag und dem von ihnen als der Beklagten bei Wirksamwerden des Widerrufs noch
geschuldet berechneten Betrag von 34.809,73 €, folglich auf Zahlung von
5.815,60 €, hat das Landgericht abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das
Oberlandesgericht den Klägern einen Teil der Klageforderung zuerkannt und das
Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt:
Die Kläger hätten in Höhe des zugesprochenen Teilbetrags
eine Leistung ohne rechtlichen Grund an die Beklagte erbracht. Der
Darlehensvertrag zwischen den Parteien habe sich aufgrund des Widerrufs der
Kläger in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Auf die resultierende
Forderung der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis hätten die Kläger zu
viel bezahlt.
Die Kläger hätten ihre auf Abschluss des
Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung im Juni 2013 noch widerrufen
können, weil die Widerrufsfrist mangels deutlicher Belehrung der Beklagten
nicht angelaufen sei. Eine Belehrung, die sich - wie im konkreten Fall -
hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränke, die
Frist beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung", sei nicht in
der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend. Auf die
Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß der
BGB-Informationspflichten-Verordnung – hier nach Maßgabe der Überleitungsregelung
für an der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung des Musters orientierte
Belehrungen – könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die von ihr
verwendete Widerrufsbelehrung dem Muster nicht vollständig entsprochen habe.
Die Beklagte habe nach der die Länge der Widerrufsfrist kennzeichnenden Passage
– "innerhalb von zwei Wochen" – eine hochgestellte "2"
eingefügt, die zu einer nach der Unterschrift des Verbrauchers am unteren
Seitenrand des Formulars abgedruckten Fußnote geführt habe. Mittels des in dieser
Fußnote abgedruckten Textes "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" sei
die Beklagte von der Musterwiderrufsbelehrung abgewichen. Überdies sei die mit
dieser Fußnote versehene Widerrufsbelehrung geeignet gewesen, beim Verbraucher
den (unzutreffenden) Eindruck hervorzurufen, eine (von ihm vorzunehmende)
Prüfung seines Einzelfalls könne - abhängig von von ihm in der
Widerrufsbelehrung nicht aufgezeigten Umständen - zur Bestimmung einer
Widerrufsfrist von weniger oder von mehr als zwei Wochen führen.
Die Kläger hätten das Widerrufsrecht nicht verwirkt.
Genügende Umstände, die das Vertrauen der Beklagten darauf gerechtfertigt
hätten, die Kläger würden von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen,
lägen nicht vor.
Die Kläger hätten der Beklagten nach Umwandlung des
Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis Herausgabe der
Darlehensvaluta nebst Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am jeweils
tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta geschuldet, bei deren
Bemessung eine bei Ausreichung des Darlehens im April 2008 marktübliche
Verzinsung von 5,71% p.a. – nicht wie von den Klägern eingeführt von 5,25% p.a.
– zugrunde zu legen sei. Dies ergebe einen Gesamtbetrag von 63.423,38 €. Die
Kläger hätten von der Beklagten Rückerstattung der erbrachten Zins- und
Tilgungsleistungen in Höhe von 22.625 € verlangen können. Außerdem habe ihnen
ein Anspruch auf Herausgabe der von der Beklagten aus den Zins- und
Tilgungsleistungen gezogenen Nutzungen zugestanden. Widerleglich sei zu vermuten,
dass die Beklagte aus Zins- und Tilgungsleistungen, die sie aus dem
grundpfandrechtlich gesicherten und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte
Darlehensverträge üblichen Bedingungen ausgegebenen Darlehen erlangte habe,
Nutzungen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz - nicht, wie von den Klägern geltend gemacht, von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz - gezogen habe. Die Kläger
hätten zu höheren und die Beklagte zu geringeren Nutzungen nicht vorgetragen.
Zu erstatten habe die Beklagte schließlich eine vereinnahmte
"Schätzgebühr" samt hieraus gezogener Nutzungen. Mit der sich daraus
ergebenden Gesamtforderung in Höhe von 24.813,60 € hätten die Kläger gegen die
Forderung der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis aufgerechnet, so
dass sich zugunsten der Beklagten noch ein Saldo von 38.609,78 € ergeben habe.
Da die Kläger weitere 40.625,33 € an die Beklagte gezahlt hätten, sei die
Beklagte in Höhe von 2.015,55 € ungerechtfertigt bereichert.
Mit der zu ihren Gunsten vom Oberlandesgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige
Abweisung der Klage weiter. Zur Überprüfung des Senats gestellt sind die
Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Reichweite der Gesetzlichkeitsfiktion
der Musterwiderrufsbelehrung, zu den Voraussetzungen einer
rechtsmissbräuchlichen Ausübung bzw. Verwirkung des Widerrufsrechts und zur
Herausgabe widerleglich gezogener Nutzungen der Banken auf Tilgungsleistungen
des Verbrauchers. Mit der Anschlussrevision macht die Klägerin zu 2 – zugleich
als Rechtsnachfolgerin des Klägers zu 1 – die Entscheidung des
Oberlandesgerichts zu den Rechtsfolgen zum Gegenstand des Revisionsverfahrens,
soweit das Oberlandesgericht hinter den Anträgen der Kläger zurückgeblieben
ist.
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth – Urteil vom 27. Oktober 2014 – 10 O
3952/14
OLG Nürnberg – Urteil vom 11. November 2015 – 14 U
2439/14
Karlsruhe, den 2016
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76125 Karlsruhe
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