Am 19.01.2016 stehen wieder Klauseln einer Sparkasse auf dem Prüfstand, die Vorfälligkeitsentschädigungen bei Immobiliendarlehen zu Lasten der Darlehensnehmer regeln. So sollen zukünftige Sonderzahlungen, die während der Restlaufzeit des Darlehens noch möglich gewesen wären, nicht berücksichtigt werden.
Damit errechnet sich die Sparkasse eine überhöhte Vorfälligkeitsentschädigung zu Lasten des Darlehensnehmers.
Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle - Nr. 188/2015 vom 13.11.2015
Verhandlungstermin am 19. Januar 2016 in Sachen XI ZR
388/14 (Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Darlehensrückzahlung)
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein, der als
qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte ist
eine Sparkasse, die unter anderem grundpfandrechtlich abgesicherte Darlehen an
Verbraucher vergibt. Soweit den Kreditnehmern hierbei Sondertilgungsrechte
innerhalb des Zinsfestschreibungszeitraums eingeräumt werden, enthalten
die "Besonderen
Vereinbarungen" des Darlehensvertrags die nachfolgende Bestimmung:
"Zukünftige Sondertilgungsrechte werden im Rahmen
vorzeitiger Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von
Vorfälligkeitszinsen nicht berücksichtigt."
Mit der Unterlassungsklage nach § 1 UKlaG verlangt der
Kläger von der Beklagten, die Verwendung dieser Klausel gegenüber Verbrauchern
zu unterlassen. Er meint, die streitige Regelung benachteilige die
Darlehensnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB*,
verstoße gegen § 309 Nrn. 5 und 6 BGB*** sowie gegen § 308 Nr. 7 BGB** und sei
zudem intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB*).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das
Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Es hat angenommen, die Klausel
unterliege gemäß § 307 Abs. 1, 2 BGB der Inhaltskontrolle, weil sie eine von
Rechtsvorschriften abweichende bzw. diese ergänzende Regelung treffe.
Unabhängig von der dogmatischen Einordnung des bei vorzeitiger
Darlehensvollrückzahlung nach außerordentlicher Darlehenskündigung durch den
Darlehensnehmer entstehenden Anspruchs des Darlehensgebers auf Zahlung einer
Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB****, den die Klausel
regele, stelle die Entschädigung keine unmittelbare darlehensvertragliche
Haupt- bzw. Gegenleistung oder ein diese betreffendes Entgelt dar.
Die danach kontrollfähige Klausel sei zwar weder gemäß §
309 Nrn. 5 und 6 BGB noch nach § 308 Nr. 7 BGB unwirksam. Mit ihr sei aber eine
unangemessene Benachteiligung der Darlehensnehmer im Sinne von § 307 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verbunden, weil sie von allgemein anerkannten
Grundsätzen der Schadensberechnung abweiche. Nach der streitigen Regelung
erhalte der Darlehensgeber im Wege der Vorfälligkeitsentschädigung mehr, als
ihm nach seiner vertraglichen Zinserwartung zustehe. Die Klausel verstoße daher
gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot, wonach der
Anspruchsberechtigte nicht mehr erlangen dürfe als er bei ordnungsgemäßer
Vertragsbeendigung bekommen hätte. Dass die Gewährung von Sondertilgungsrechten
grundsätzlich vorteilhaft für den Darlehensnehmer sei, lasse die
Unangemessenheit der Klausel nicht entfallen. Diese regele nicht die Gewährung
solcher Sonderrechte oder die Bedingungen ihrer Ausübung, sondern beziehe sich
auf die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger
vollständiger Darlehensrückzahlung. Ob die Klausel auch gegen das
Transparenzgebot verstoße, könne offen bleiben.
Mit der - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Revision
erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden
erstinstanzlichen Urteils.
Landgericht Aurich – Urteil vom 8. November 2013 – 3 O
668/13
Oberlandesgericht Oldenburg – Urteil vom 4. Juli 2014 – 6
U 236/13
* § 307 BGB
Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind
unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene
Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar
und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel
anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der
Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des
Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten
nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart
werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit
Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
** § 308 BGB
Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere
unwirksam
…
7. (Abwicklung von Verträgen)
eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall,
dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt,
eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den
Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder
einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen
verlangen kann;
…
*** § 309 BGB
Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen
Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam
…
5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen)
die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des
Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn
die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich
eintretende Wertminderung übersteigt oder
dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis
gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht
entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale;
6. (Vertragsstrafe)
eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der
Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder
für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer
Vertragsstrafe versprochen wird;
…
**** § 490 BGB
Außerordentliches Kündigungsrecht
…
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag, bei
dem der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch ein Grund- oder
Schiffspfandrecht gesichert ist, unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs. 3
Satz 2 vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten und
seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen sind. Ein
solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein
Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens
beliehenen Sache hat. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber denjenigen
Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht
(Vorfälligkeitsentschädigung).
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
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