Mittwoch, 22. September 2010

Überlange Verfahrensdauer

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Deutschland erneut gerügt, nunmehr für überlange Verfahrensdauer. Der Inhaber eines privaten Wachunternehmens hatte 13 Jahre und 5 Monate gegen die Ablehung eines Waffenscheins geklagt - erfolglos; insgesamt 4 Instanzen, wobei das Oberverwaltungsgericht 8 Jahre auf den Akten gesessen hatte. Der EGMR beurteilte diese Verfahrensdauer als einen klaren Verstoß gegen Art. 6 § 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Gerichtshof konstatierte, daß es sich um ein strukturelles Problem in Deutschland handelt. Dieses muß nun binnen eines Jahres von Deutschland beseitig werden. Besonders lang dauern Prozesse vor den Verwaltungs- und Finanzgerichten.Der Anspruch auf effektiven Rechtschutz ist auch im deutschen Grundgesetz verankert.
Weitere 55 weitere Beschwerden sollen bei EGMR gegen Deutschland noch anhängig sein.

Die deutsche Justiz wird seit Jahren kaputt gespart, obwohl gerade in der Zivilgerichtsbarkeit jeder Kläger mit von der Höhe des Streitwertes abhängigen Gerichtskostenvorschüssen belastet ist. Bevor diese nicht bezahlt worden sind, wird das Verfahren erst gar nicht betrieben.

Auffällig ist jedoch, daß die Verfahrensdauer in den Bundesländern sehr unterschiedlich ist.

Beispiele aus meiner Praxis:

Zivilprozeß vor dem LG Mainz: Verfahrensdauer 4 Jahre, Termine im Jahrestakt!
AG im Ruhrgebiet nach Ostern 2009 - Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach 4 Wochen angemahnt. Reaktion der Geschäftsstelle fröhlich - wir haben 8 Wochen Arbeitsrückstände ( Folgen des Karneval). AG Bremen, Nachlaßgericht im Juni 2010 - nach Dienstaufsichtsbeschwerde, weil 5 Wochen nach meiner Anfrage nach den Erben einer in Bremen verstorbenen Person immer noch keine Antwort vorlag:  vorwurfsvoller Anruf der Geschäftsstelle, sie hätten 14 Wochen Arbeitsrückstand. Die Zeit für den Anruf hätte genügt, mir einen Dreizeiler zu schreiben.

In Baden-Württemberg liegen die Bearbeitungszeiten bei Gericht im überschaubaren Rahmen. Allerdings machen gerade kleine Gerichte davon eine Ausnahme. Nordbaden ist mit Amtsgerichten übermäßig ausgestattet. Gerade bei den kleineren Gerichten frage ich mich aber, ob eine einfache Scheidung - ohne Sorgerecht, Unterhalt, Zugewinn, ein Ehepartner bereits in Rente, also geklärtes Rentenkonto für den Versorgungsausgleich und erfüllter Trennungszeit - wirklich 1 Jahr dauern muß. Eine Räumungsklage dauert nun  noch auch schon 1 Jahr.

Da wäre es sicherlich effizienter, die kleinen Gerichte aufzulösen und das Personal auf die in geringer Entfernung liegenden  größeren Amtsgerichte in Heidelberg und Mannheim zu verteilen. Die eingesparten Gelder für 2 Direktorenposten und 2 Gerichtsgebäude könnten der Ausstattung der übrigen Gerichte zugute kommen. 

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