Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle - Nr. 011/2017 vom 25.01.2017
Urteil vom 25. Januar 2017 - VIII ZR 249/15
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer
Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Vermieter einer Eigentumswohnung,
auch noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB* für die
Abrechnung über die Betriebskosten eine Nachforderung geltend machen kann, wenn
der WEG-Verwalter verspätet abgerechnet hat.
Kommentar: Nur in Ausnahmefällen. Der Vermieter darf die Verspätung der Betriebskosten nicht zu verantworten haben.In allen anderen Fällen bleibt es bei der jährlichen Abrechnungspflicht!
Die Anforderungen an den Vermieter sind hoch.
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Die Beklagte war Mieterin einer in einer
Wohnungseigentumsanlage gelegenen Wohnung des Klägers, für die sie neben der
Nettomiete monatliche Betriebskostenvorauszahlungen zu entrichten hatte. Der
Mietvertrag enthielt eine handschriftliche Ergänzung, wonach die Betriebskosten
jährlich nach Genehmigung der Abrechnung in der Eigentümerversammlung mit dem
Mieter abgerechnet werden. Die Betriebskosten für die Jahre 2010 und 2011
rechnete der Kläger gegenüber der Beklagten erst mit Schreiben vom 7. Dezember
2013 ab, nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft kurz zuvor den Beschluss
über die Jahresabrechnungen der Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 5 WEG**
gefasst hatte.
Mit seiner Klage hat der Kläger für die jeweiligen
Abrechnungszeiträume Nachforderungen geltend gemacht. Die Klage ist in allen
Instanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der unter anderem für das Mietrecht zuständige VIII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Vermieter einer
Eigentumswohnung grundsätzlich auch dann innerhalb der Jahresfrist des § 556
Abs. 3 Satz 2 BGB* über die Betriebskosten abzurechnen hat, wenn der Beschluss
der Wohnungseigentümer über die Jahresabrechnung noch nicht vorliegt. Nur wenn
der Vermieter die Verspätung nach § 556 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BGB nicht zu
vertreten hat, wofür er darlegungs- und beweisbelastet ist, kann er nach Ablauf
der Frist noch eine Nachforderung geltend machen. Eine hiervon abweichende
Vereinbarung ist gemäß § 556 Abs. 4 BGB unwirksam.
Nach § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB ist über die Vorauszahlungen
für Betriebskosten jährlich abzurechnen. Diese Abrechnungspflicht ist nicht
davon abhängig, dass dem Vermieter einer Eigentumswohnung bereits der Beschluss
über die Jahresabrechnung der Wohnungseigentumsgemeinschaft vorliegt, die
regelmäßig als Grundlage für die Betriebskostenabrechnung gegenüber dem Mieter
genutzt wird. Eine solche (ungeschriebene) Voraussetzung ist der Vorschrift
nicht zu entnehmen, ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien oder der
Gesetzessystematik und wäre insbesondere mit dem Zweck der Vorschrift,
Abrechnungssicherheit für den Mieter und - durch eine zeitnahe Abrechnung der Betriebskosten
- rasche Klarheit und Rechtssicherheit über die gegenseitigen Forderungen der
Mietvertragsparteien zu schaffen, nicht vereinbar. Zudem würde hierdurch der
Mieter einer Eigentumswohnung in einer aus Sachgründen nicht zu
rechtfertigenden Weise gegenüber dem Mieter einer sonstigen Wohnung
benachteiligt, da er durch das zusätzliche Erfordernis eines Beschlusses der
Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 5 WEG dem erhöhten Risiko ausgesetzt wäre,
die Betriebskostenabrechnung nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen
Jahresfrist zu erhalten.
Die Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers, die
Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung,
Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des
gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen (§ 16
Abs. 2 WEG), entsteht zwar gegenüber den anderen Eigentümern im Innenverhältnis
nicht bereits durch die Entstehung der Kosten und Lasten, sondern erst durch
den Beschluss der Wohnungseigentümer gemäß § 28 Abs. 5 WEG. Dieser Beschluss
entfaltet jedoch gegenüber einem Dritten, wie hier dem Mieter, keine Bindung.
Die Frage des laufenden Entstehens und des Anfallens der Betriebskosten für die
vermietete Eigentumswohnung ist damit unabhängig hiervon nach den Grundsätzen
des Wohnraummietrechts und dem Inhalt des konkreten Mietverhältnisses zu
beurteilen.
Damit kann ein Vermieter einer Eigentumswohnung, wenn die
Hausverwaltung die WEG-Abrechnung verspätet erstellt hat, nach Ablauf der
Jahresfrist nur dann noch eine Nachforderung geltend machen, wenn er die
verspätete Abrechnung über die Vorauszahlungen nicht zu vertreten hat, was er
konkret darzulegen hat.
Hieran fehlte es. Zwar muss sich der Kläger ein
Verschulden des (früheren) Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht
zurechnen lassen, weil dieser, wie der Senat nunmehr entschieden hat,
grundsätzlich - und so auch hier - nicht Erfüllungsgehilfe des Vermieters der
Eigentumswohnung hinsichtlich der Erstellung der mietrechtlichen
Betriebskostenabrechnung ist. Der Kläger hat jedoch lediglich geltend gemacht,
die bis zum 31. Dezember 2012 tätige Hausverwaltung habe die Wohngeldabrechnung
der Hauseigentümer für die Jahre 2010 und 2011 nicht ordnungsgemäß erstellt und
sei wegen dieser Versäumnisse von der Wohnungseigentümergemeinschaft zum 31.
Dezember 2012 abberufen worden. Die neue, ab 1. Januar 2013 tätige
Hausverwaltung sei mit Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 20.
August 2013 zur Abrechnung der Wohngelder für die Jahre 2010 und 2011
beauftragt worden und habe diese im November 2013 fertiggestellt. Dies genügt
nicht. Denn es fehlt jeder Vortrag dazu, was der Kläger selbst veranlasst hat,
nachdem für ihn im Laufe des Jahres 2010 erkennbar wurde, dass die bisherige
Hausverwaltung die Wohngeldabrechnung, die er als Grundlage für die von ihm
selbst erstellte Betriebskostenabrechnung benötigte, nicht rechtzeitig vorlegen
würde oder die schließlich erstellte Abrechnung so fehlerhaft war, dass sie
sich nicht als Grundlage für die Betriebskostenabrechnung eignete.
**§ 556 BGB Vereinbarungen über Betriebskosten
(1) […]
[…]
(3) 1Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist
jährlich abzurechnen; […]. 2Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum
Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen.
3Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den
Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete
Geltendmachung nicht zu vertreten.
**§ 28 WEG Wirtschaftsplan, Rechnungslegung
(1) […]
[…]
(3) Der Verwalter hat nach Ablauf des Kalenderjahres eine
Abrechnung aufzustellen.
[…]
(5) Über den Wirtschaftsplan, die Abrechnung und die
Rechnungslegung des Verwalters beschließen die Wohnungseigentümer durch
Stimmenmehrheit
Vorinstanzen:
Amtsgericht Schwetzingen - Urteil vom 26. November 2014 -
4 C 81/14
Landgericht Mannheim - Urteil vom 14. Oktober 2015 - 4 S
142/14
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